Ehret die Frauen! sie flechten und weben
Himmlische Rosen ins irdische Leben.
(Friedrich von Schiller: Würde der Frauen)
Dreimal, verehrte Leser und -innen, wollen wir heute anheben mit: „Aus gegebenem Anlass.“ – Also:
Aus gegebenem Anlass:
Zum 100. Mal jährt sich heuer nicht nur der Beginn des I. Weltkriegs, sondern auch die „offizielle“ Durchsetzung des Muttertags. Am 8. Mai 1914 erließ der US-Kongress die Joint Resolution Designating the Second Sunday in May as Mother’s Day: Der Muttertag 1914 wurde zum ersten Mal als nationaler Feiertag begangen; damit einher ging die Beflaggung der öffentlichen Gebäude im Auftrag Präsident Woodrow Wilsons himself. Schon ab Mitte der 1860er-Jahre hatte es in den USA, vor allem auf Betreiben evangelikaler Kreise, im Besonderen der Methodistin Ann Maria Reeves Jarvis und ihrer Tochter Anna Marie Jarvis, Bestrebungen gegeben, einen Tag für die Mütter einzuführen. Allerdings nicht als Konsum-, Schenk- und Ausflugszwangorgie, sondern als Gelegenheit, dass sich Mütter freundschaftlich trafen, sich austauschen konnten und ihnen auch gedankt wurde. Bald kam auch das Motto „peace and motherhood“ – Frieden und Mutterschaft – dazu; was vor allem darauf abzielte, die Söhne nicht auf den Schlachtfeldern zu opfern.
In der Schweiz, so belehrt uns Prof. Wikipedia, wurde der Muttertag ebenfalls auf Initiative kirchlicher Organisationen, besonders der Heilsarmee, propagiert, konnte sich aber erst etablieren, nachdem die Verbände der Floristen, Gärtnermeister und Konditoren sich dafür stark machten. Die Herrschaften waren also schon damals überaus geschäftstüchtig und konnten so neben dem Valentinstag einen zweiten künstlichen Feiertag schaffen, der auf das schlechte Gewissen von Kindern und Gatten abzielt, was sich offenbar nur durch Blumen und/oder Torten kompensieren lässt. – Ähnlich die Entwicklung in Deutschland, wo der Verband der Blumengeschäftsinhaber zu Beginn der 1920er-Jahre eine entsprechende Plakataktion mit dem Slogan „Ehret die Mütter“ lancierte. Was sich ja zu lohnen scheint: Wie nachzulesen, werden die Muttertagsumsätze – im Schnitt 139 US-$ je beschenkter Mutter – in den USA nur durch Weihnachten übertroffen. Und in Deutschland hat der Muttertag sogar im Blumenhandel den Valentinstag überholt; in der Muttertagswoche werden um 130 Millionen Euro Schnittblumen verkauft. Wobei den Floristen nun eindeutig Gefahr seitens der Social Media droht: Blumen lassen sich noch bequemer als per Fleurop längst via Twitter oder SMS versenden: @–)-)–
(Auf allfällige Pervertierungen, etwa als die Nazis in gottesdienstähnlichen „Mütterweihen“ den Frauen für ihren zahlreichen arischen Nachwuchs das Ehrenkreuz der Deutschen Mutter – im Volksmund wurde dieses Mutterkreuz „Kaninchenorden“ [vgl. „profil“ Nr. 20, 12. Mai 2014, SS. 76, 80] genannt – verliehen, sei hier nicht näher eingegangen.)
So sind die Frauen nicht nur zur wichtigen Umsatzsäule der Konditoren geworden. Nein, wir können auch sicher davon ausgehen, dass sie es waren, die die Bereitung von Backwaren überhaupt „erfanden“ und kultivierten. Die Fermentation, wie sie etwa mittels Säurebakterien und Hefen für die Lockerung des Teiges sorgt, doch auch bei der Herstellung von Wein, Bier oder Käse notwendig ist, gehört zu den Urerfahrungen der Menschheit und wurde – wohl an mehreren Orten unabhängig – entdeckt, weil die Zeit dafür einfach reif war, als sich im Zuge der neolithischen Revolution aus nomadisierenden Wildbeutern, Jägern und Sammlern langsam festansässige Bauerngesellschaften entwickelten. So schreiben denn auch Gottfried Spicher und Hans Stephan unter Bezug auf M. Rohrlich¹:
„… ist es keinesfalls einem Zufall zuzuschreiben, dass die vorgeschichtliche Hausfrau die Bedeutung der Säuerung ihres Mehlbreis, des Mehlteiges, erkannt hat. Vielmehr darf man annehmen, dass sie, die die Säuerungstechnik, z.B. bei der Zubereitung von Kohl und Rüben gekannt hat, nach Wegen suchte, um den Brei aus dem von ihr zerstampften Korn verzehrbar und schließlich auch im Feuer haltbar zu machen.“
Wir können also davon ausgehen, dass man – dank der Frauen – spätestens „seit der späten Bronzezeit Sauerteigbrot aus ausgemahlenem und kleiefreiem Getreide backen konnte“². Im Laufe der Zeit wurden die Techniken stets verfeinert. Doch es lässt sich seit urgeschichtlicher Zeit bis weit ins 20. Jahrhundert hinein beobachten, dass es stets die Frauen waren, die (am häuslichen Herd) Brot buken; solange bis sich in der jeweiligen Kultur die arbeitsteilige Gesellschaft vollends durchsetzte und aus dem Brotbacken ein Gewerbe entstand, das nur in Ausnahmefällen, etwa wenn der Meister verstorben war, von Frauen ausgeübt werden konnte. Wenngleich eine erste Arbeitsteilung schon mit der Sesshaftwerdung einherging: Das Geschäft der Männer waren wohl Jagd und Kämpfe, die Frauen hatten sich um die umliegenden Felder, den Haushalt – samt Kochen und Backen – und die Kinder zu kümmern. Und diese Unterschiede in der Rangordnung dürften auch in der Verpflegung ihren Ausdruck gefunden haben: Das Fleisch war eher den Männern zugedacht, und die besten Stücke erhielten diejenigen, die sich als Führungspersönlichkeiten hervortaten, etwa weil sie auf der Jagd besonders erfolgreich oder im Kampf besonders tapfer waren. Der Historiker und Volkskundler Gunther Hirschfelder dazu³:
„Das muss nicht unbedingt das Filet gewesen sein – denkbar sind auch solche Stücke, von denen man sich eine Übertragung besonderer Fähigkeiten erhoffte. Das könnte beispielsweise das Hirn gewesen sein; so gilt in der traditionellen chinesischen Küche das zuckende Hirn gerade erst geköpfter Affen als Delikatesse, von deren Konsum man sich ein zusätzliches Maß an Klugheit erhofft. Wahrscheinlicher ist aber der Verzehr des Herzens und vor allem der Hoden symbolträchtiger Tiere, etwa des Bären.“
Aus gegebenem Anlass:
Zwei Wochen vor den EU-Wahlen nimmt der Wahlkampf langsam Fahrt auf. Was scheint’s alle österreichischen Parteien eint, ist das mittlerweile ziemlich plan- und hilflose Eindreschen auf die junge Gruppierung „Neos“, die bei den österreichischen Nationalratswahlen im vergangenen Herbst aus dem Stand ein beachtenswertes Ergebnis erzielte, und der Wahlprognosen mittlerweile zutrauen, die etablierten Grünen (das sind die mit der spaßfreien „Bundeserziehungsberechtigten“) zu überholen. – Dies ist seit dem II. Weltkrieg erst der zweite Versuch, der erste scheiterte einigermaßen kläglich, in Österreich eine klassische liberale Partei zu etablieren. Selbst der in der Wolle gefärbte Altlinke Georg Hoffmann-Ostenhof fühlte sich nun bemüßigt, die Neos in Schutz zu nehmen („profil“ Nr. 20, 12. Mai 2014, S. 69):
„… Und die Grünen ertragen es offenbar nicht, dass eine Kraft, die in Fragen der Migration, des Asyls und der Minderheiten, kaum anders denkt als sie, gleichzeitig aber vieles von dem vertritt, was auf grüner Seite als neoliberales Teufelszeug verdammt wird.“
Die Neos-Listenführerin ist die EU-(Bürokratie-)erfahrene Juristin, Angehörige der slowenischen Volksgruppe, Angelika Mlinar. Sie sei, wird immer wieder ohne nähere Angaben kolportiert, auch selbst Unternehmerin. Der Verfasser bemühte sich nun, herauszufinden, was sie denn unternehme, und siehe da, zu seiner köstlichen Überraschung stellte sich heraus, Frau Dr. Mlinar betreibt in der slowenischen Hauptstadt Laibach/Ljubljana eine Keksfabrik: Angelski keksi. (Zum Drüberstreuen: Das slowenische mlínar bedeutet auf deutsch Müller.)
Aus gegebenem Anlass:
Österreich ist im Eurovisions-Songcontest-Sieger-Taumel. 48 Jahre nach Udo Jürgens’ „Merci chérie“ (damals nur gegen 14) siegte nun fulminant die Kunstfigur Conchita Wurst, bürgerlich Tom Neuwirth, mit dem Song „Rise like a phoenix“. Ich kann der Backbranche nur dringend raten, Conchita möglichst rasch als Testimonial unter Vertrag zu nehmen. Slogan taxfrei: „Keine Wurst ohne Semmel!“
Wie’s geht? So: Conchita Wurst.
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¹ Spicher/Stephan, Handbuch Sauerteig, Hamburg, 1982, S. 14.
² Hirschfelder, Gunther, Europäische Esskultur, Geschichte der Ernährung von der Steinzeit bis heute, Frankfurt a. M., 2005, S. 35.
³ Ebenda.